Eine Person sitzt am Steuer eines Zugsimulators.

Zukunfts­werkstatt

„Wir brauchen ein Gesamtkonzept zur Lösung des Personalmangels“

Der Fachkräftemangel trifft nicht nur die Verkehrsunternehmen auf der Schiene. Damit der gesamte ÖPNV profitieren kann, startet Fokus Bahn NRW die Initiative für die Zukunftswerkstatt Personal NRW. Fokus-Bahn-Programmleiter Joachim Künzel erklärt, wie eine Lösung für den gesamten öffentlichen Verkehr aussehen soll.

Bei der Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften für den Schienenpersonennahverkehr in Nordrhein-Westfalen können die Partner/innen im Landesprogramm Fokus Bahn NRW auf messbare Erfolge blicken. Doch der Personalmangel betrifft nicht nur den Schienenverkehr, sondern den gesamten ÖPNV und gefährdet so Mobilitätswende. EVUs, Aufgabenträger und das Land NRW setzen deshalb auf die Gründung einer Zukunftswerkstatt Personal NRW. Verortet in der VDV-Akademie, soll sie dem Fachkräftemangel branchenweit begegnen und die Erfahrungen aus dem Landesprogramm Fokus Bahn NRW langfristig in bundesweite und brancheneigene Strukturen überführen. Im Interview gibt Joachim Künzel Einblick in die neue Initiative, die Fokus Bahn NRW seit 2023 vorbereitet und jetzt auf den Weg bringen will.

Fokus Bahn NRW legt seit 2019 Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel im SPNV auf, zuletzt die Beschäftigungsoffensive mit besonderer Unterstützung des Landes. Warum braucht es jetzt noch eine Zukunftswerkstatt Personal NRW?

Joachim Künzel: „Neben der Leistungsfähigkeit der Infrastruktur ist die Rekrutierung, Ausbildung und Qualifizierung des Fachpersonals für die Verkehrsunternehmen, und zwar im SPNV genauso wie im ÖPNV, einer der ganz entscheidenden Hebel für die Realisierung der Mobilitätswende und damit schlussendlich auch für das Erreichen der Klimaziele. Beide Faktoren sind aber mit den Möglichkeiten des Landes NRW, seiner Aufgabenträger sowie der Verkehrsunternehmen nicht weitgehend genug zu beeinflussen. Fokus Bahn NRW begrenzt durch zahlreiche Maßnahmen die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf das Leistungsangebot im SPNV. Allerdings werden dadurch nur Löcher im Rahmen der aktuellen Verkehrsleistungen gestopft und keine nachhaltigen Lösungen bereitgestellt. Außerdem greift die thematische Beschränkung auf den Bahnsektor – und dort weitgehend auf den SPNV – zu kurz. Die Zukunftswerkstatt Personal NRW soll das ändern.“

Porträtfoto Joachim Künzel
"Die Zukunftswerkstatt soll dies modellhaft zunächst für NRW entwickeln und dann – idealerweise im Zusammenspiel möglichst vieler Bundesländer und Akteure der Branche – umsetzen."
Joachim Künzel Programmleitung Fokus Bahn NRW

Wie?

Künzel: „Die Zukunftswerkstatt Personal NRW soll zentraler Koordinator und Impulsgeber des ÖPNV in Nordrhein-Westfalen werden. Es braucht ein branchenweites Gesamtkonzept für die Lösung der Personalmangelproblematik im öffentlichen Verkehrssektor insgesamt. Die Zukunftswerkstatt soll dies modellhaft zunächst für NRW entwickeln und dann – idealerweise im Zusammenspiel möglichst vieler Bundesländer und Akteure der Branche – umsetzen.“

Warum ist die bisherige Arbeit von Fokus Bahn NRW für diese Zukunftswerkstatt wichtig?

Künzel: „Fokus Bahn NRW hat seit fünf Jahren dafür gesorgt, dass Anzahl und Qualität der Berufsqualifizierungskurse gesteigert wurden, eine gemeinsame Recruiting-Kampagne wurde entwickelt und realisiert, dazu gibt es nun eine unternehmensübergreifende Bewerbungsplattform für Gemeinschaftskurse sowie eine landesweite Jobkarte. Die Zukunftswerkstatt Personal NRW soll diese Erfahrungen weiterführen: Bei der Etablierung einer hochwertigen Aus- und Weiterbildungslandschaft, beim Auf- und Ausbau, sowie der Steuerung landesweiter Netzwerke mit strategischen Kooperationspartnern wie Arbeitsverwaltungen, Hochschulen, Berufsschulen und Industrie- und Handelskammern. Aber auch bei der Förderung von unternehmensübergreifenden Kooperationen, einem zentralen Kompetenzaufbau im Personalbereich und der Bearbeitung strategischer Fragestellungen der Zukunft, Anpassungen von Berufsbildern, sowie der Konzeption und Umsetzung von Branchenlösungen. Im nächsten Schritt sollen diese Erfolge dann in von der Branche selbst getragene Strukturen überführt und damit für Nachhaltigkeit gesorgt werden.“

Und wie sehen die nächsten Schritte der Zukunftswerkstatt aus?

Künzel: „Das Programm Fokus Bahn NRW läuft in seiner aktuellen Form noch bis zum Ende des Jahres 2024. Falls sich eine Weiterführung aufgrund der Personalsituation als notwendig erweisen sollte, würde mit Beginn des Jahres 2025 die Zukunftswerkstatt Personal NRW im Auftrag des Landes NRW sowie der Aufgabenträger und der Eisenbahnverkehrsunternehmen mit einem eigenen Team die gesamte Koordination des personalbezogenen Projektgeschäfts von Fokus Bahn NRW übernehmen. Ab 2025 soll die Zukunftswerkstatt Personal NRW ihre Aktivitäten auf den gesamten ÖPNV sowie auf den Schienengüterverkehr innerhalb von NRW ausdehnen. Parallel sollen ähnliche Gemeinschaftsinitiativen auch in anderen Bundesländern angestoßen und aufgebaut werden – Voraussetzung dafür sind allerdings jeweils bundeslandspezifische oder gemeinsame Finanzierungsregelungen. Spätestens ab 2029 soll sich die Zukunftswerkstatt Personal NRW beziehungsweise eine ausgeweitete und deutschlandweit agierende Zukunftswerkstatt Personal ÖV aus der Branche heraus selbst, das heißt zumindest ohne Fördermittel seitens des Landes NRW, tragen.“

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